Editorial und Nachruf

Köln 12 Juli 2011
©® herMANn JOsef BECK

Guten Tag,

da ich mich erst jetzt nach 51/2 Jahren in der Lage sehe, den Tod meines Zwillingsbruders einigermaßen verkraftet zu haben, möchte ich ein paar ergänzende Zeilen zu seiner Webseite schreiben.
Zugegeben, das Editorial ist etwas lang geworden, aber es hätte in der Ausführung noch länger werden können, wenn ich den Text nicht nachhaltig gekürzt hätte.

Somit ist es eine Mischung aus Editorial und Nachruf geworden.

In den letzten Jahren habe ich viele Fragen von Freunden zu dem Thema gestellt bekommen, was nun mit Winfrieds Werken nach seinem Tod geschehen ist, und bemühe mich jetzt, sie einigermaßen erschöpfend zu beantworten.
Auch werde ich auf die Fragen eingehen, in welchem Verhältnis Winfried zu den Haupterben gestanden hat.
Um dieses Verhältnis zu verstehen, ist auch meine Position zu den Haupterben beschrieben, weil man wird erst bestimmte Zusammenhänge begreifen, wenn man die "Zwillinge" sieht, und nicht nur Winfried alleine.

Somit kann ich in Zukunft einfach sagen: "Schaut auf seine Webseite, da liegen die Antworten auf alle Fragen..."

Nach dem Tod von Winfried war kein Testament vorhanden. Somit ging sein gesamtes Werk, bis auf einen kleinen Teil, in den Besitz der Haupterben Mutter Sophia Beck, Schwester Andrea Pfau und Bruder Michael Beck über.
Um Missverständnissen vorzubeugen sind mit "Familie" im weiterführenden Text die Haupterben, also der engste Familienkreis gemeint.

Bis heute habe ich keinen Zugriff auf die Werke meines Zwillingsbruders, kann also keinerlei Auskunft darüber geben, was nun mit dem Nachlass an Bildern, Kleinplastiken, Collagen und Zeichnungen geschehen ist.
Bisher habe ich auch keine Rechercheergebnisse, ob die Haupterben mit Werken meines Zwillingsbruders Ausstellungen organisiert - bzw. Werke aus dem Nachlass verkauft - oder im schlimmsten Fall vernichtet haben, was ich nicht hoffe, es wäre zu grotesk.
Auch ob das Oeuvre überhaupt sachgerecht gelagert wird, weiß ich nicht. Es handelt sich ja hier nicht um Konserven, sondern um hochempfindliche Bilder, teils in Öl gemalt, welche in einem ordentlichen Raumklima gelagert werden müssen.
Die Heizungsluft in einem Keller-Hobbyraum eines Einfamilien-Reihenhaus sorgt sicherlich nicht für das ideale Lagerungsklima von unzähligen Bildern unterschiedlichster Mal- und Größenformate.

Mit dem Tod von Winfried ist auch der Zwillingsbruder für die "Familie" "gestorben". Sicherlich kommt mir das heute sehr gelegen, weil ich selbst auf den Kontakt, spätestens nach der Beerdigung von Winfried, ebenfalls liebend gerne verzichte.
Wie zu diesem Ereignis mein engster Familienkreis mit mir umgegangen ist, spottet jeglicher Beschreibung, außer man sollte im heiligem Zorn in die Welt hinausbrüllen:
"Schämt Euch, weil so schnell wird nicht verziehen, auch nicht von jenen, die Zeugen geworden sind!"

Abgesehen von den familiären Schwierigkeiten bezweifle ich, dass die Haupterben überhaupt wissen, was sie da in Wirklichkeit geerbt haben und in Händen halten.
Verständnis und Respekt vor Winfrieds Kunst habe ich innerhalb der "Familie" nicht wirklich entdeckt, eher dass Winfried als Mensch nicht wirklich ernst genommen wurde, da er sich hier viel zu viel gefallen ließ. Kurz gesagt, eher untauglich für ein erfolgreiches Leben gehalten wurde, weil nicht hart genug um Reichtum anzuhäufen.
Na ja und Kunst zu machen  ist kein Broterwerb, sondern etwas für Versager.
Dass Winfried Meisterschüler der freien Malerei war, also mit Leidenschaft Kunst studiert hatte und ausübte, schien dennoch nur geduldet zu sein.
Diese Meinung verfestigte sich zunehmend, weil Winfried ein gutgläubiger und verzeihender Mensch war, der sich schwer damit tat, sich gegen so eine Behandlung perfider unterschwelliger Diskriminierung massiv zu wehren und Konsequenzen zu ziehen.
Winfrieds Weltschau und gelebte verzeihende Philosophie wurde nicht maßgeblich erschüttert, es schien jedenfalls so, trotz schamloser Ausnutzung seiner empathischen Fähigkeiten durch engste Freunde und die "Familie".
Er hatte sich mit den Weltreligionen, Schamanismus, Magie, fernöstlichen Philosophien und moderner Aufklärung auseinander gesetzt, und für sich einen Weg gefunden, mit den dümmlichen Anfeindungen innerhalb der "Familie" umzugehen.
Das wurde von der "Familie" als mangelnde Konfliktfreudigkeit-  umgangssprachlich feige aufgefasst.
Deshalb musste man ihn auch nicht für voll nehmen, mit der Konsequenz, dass seine Stellung innerhalb der "Familie" als geduldeter Künstler und bedauerlicher Hungerleider zu bezeichnen ist, worüber man sich im Außenverhältnis zu schämen hatte.
Dieser Leidensdruck führte Winfried zu den Überlegungen, seinen Nachnamen auf "Weidner", dem Namen unserer Großeltern in Köln, zu ändern, was ich aber als bedenklich empfand und ihm mitteilte.

Ja und da gab es noch den Zwillingsbruder Manjo!!!
Zum Leidwesen der "Familie" hatte der sich ja nicht nur mit fernöstlichen Philosophien, Religionen und moderner Aufklärung, sondern auch mit politischen Ideen und Idealen auseinandergesetzt, und arbeitete zeitweilig auch noch in einem "kollektiven Blatt" namens Stadt-Revue in Köln.
Was da womöglich noch vorher, während seiner Berliner Zeit (1971-1979) geschehen sein mag, wollte man sich erst gar nicht ausmalen, da dräute "der deutsche Herbst".
Der ist der Kommunist in der "Familie", was innerhalb der Zuordnung so aussah: Kommunist = Gefährlich = Aggressiv = Unberechenbar.
Vor dem muss man sich in Acht nehmen.

Absoluter Blödsinn, reine Verunglimpfung, aber wirksam.
So entsteht schnell ein Personenbild, welches man als Betroffener nicht mehr korrigieren kann.
Das würde ja wieder ein neues Nachdenken über- und Entdecken der Person von jenen erfordern, welche das Bild in die Welt gesetzt haben. Da bezweifle ich, dass die Urheber der Verunglimpfung dazu in der Lage sind, bzw. die Leistung einer Korrektur des Personenbildes erbringen wollen..
Ist man einmal mit Dreck beworfen, bleibt immer etwas haften, da kann man noch soviel schrubben,
es bleibt immer etwas übrig in der Wahrnehmung der betroffenen Person.
Das wussten schon die alten Römer.
Da bleiben die Urheber lieber bei den gefassten Bildern über die Person sowie den Vorstellungen, wie diese Person innerhalb der Hierarchie der "Familie" positioniert zu sein- zu funktionieren und sich gefälligst unterzuordnen hat.

Was für ein Problem für die "Familie", dass sich diese "Enfants terribles" nicht unterordneten.
Da gab es immer noch diese ungebrochene Renitenz der Zwillinge gegen diesen absolutistischen Wahnsinn und Familienzwang, der keine freie Entfaltung einer eigenständigen emanzipierten Persönlichkeit, und die liebevolle Förderung all ihrer Möglichkeiten und Facetten zuließ und respektierte.

Je älter wir Zwillinge wurden, desto mehr drängte sich uns die Frage auf, warum wir ausgerechnet in diese "Familie" hineingeboren worden sind.
Hierzu muss man wissen, dass wir unsere ersten fünf Kinderjahre im Kinderheim in Köln-Sülz zugebracht haben.

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Hier hatten wir eine zentrale, liebende und fürsorgliche Bezugsperson namens Käthe Wasser erhalten, die wir heiß und innig liebten.

Nach unserer Rückführung in die "Familie", in die Gladbacher Str. 23 , machte uns die Eifersucht unserer Mutter auf diese Frau, in ihren Auswirkungen von körperlicher Gewalt und Psychoterror, das Leben zur Hölle. Andererseits war sie mit unserer Präsenz an ihr Schicksal erinnert, uneheliche Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Inzwischen war sie zwar mit meinem Vater verheiratet, aber besonders glücklich schien sie mit ihrer Ehe nicht zu sein. Das bekamen wir leidvoll zu spüren. Was unsere Mutter zur Weißglut brachte war die Tatsache, dass wir uns zunehmend innerlich verweigerten und ihr gegenüber kein Vertrauen, geschweige denn bedingungslose Mutterliebe entwickelten.
Ihre "gewaltigen" Bemühungen, unseren Willen zu brechen und sich ihr gefügig zu machen, hatten keinen Erfolg. Dieses ständige Klima von Unterdrückung, Terror und Gewalt, mit den Auswirkungen permanenter Angst, hat nachhaltig unsere Lebensjahre bis zum 18. Lebensjahr geprägt, und wirkt sich traumatisch bis heute aus.
"Einmal Heimkind, immer Heimkind!" So war und ist die Stellung in der Familie.
Da kommt ja noch die Zeit hinzu, wo wir ab unserem 12. Lebensjahr über 2 1/2 Jahre jedes Wochenende, egal ob Sommer oder Winter, zur Zwangsarbeit am Bau des Eigenheims in Immendorf, incl. Swimmingpool und Gartenplanierung gepresst wurden. Das war körperliche Schwerstarbeit, völlig unverantwortlich und unzumutbar für Kinder in unserem Alter. Da wurde der Speis gerührt. Die Kalksandsteine und Kaminsteine aus vereistem Dreck herausgepult, aufs Förderband gehievt und in langen Reihen gestapelt. Der gefrorene Aushub aus dem Keller und Swimmingpool mithilfe von Spitzhacke und Schaufel im Garten gleichmäßig verteilt und untergegraben. Die Betonmischmaschine mit Wasser aus Eimern, Sand, Kalk, und Zement gefüttert usw.. Alles aufzulisten sprengt den Rahmen.
Montags waren wir in der Schule übermüdet, unkonzentriert und kraftlos.
Wehe, man wurde krank, das war ja quasi Drückebergerei.
Weitere Tätigkeiten in den  folgenden Jahren am Eigenheim der "Familie" machten das Leben dort zum Albtraum.
Zu einem Täter-Opfer-Ausgleich kam es bis heute nicht.
Bevor meine Mutter diese Zeiten zugibt, beißt die sich lieber die Zunge ab, oder beschwichtigt, es sei alles nicht so "schlimm" gewesen.
Die unmittelbaren Zeugen sind inzwischen, bis auf mich gestorben, oder noch Lebende halten sich heraus. Wer kann also hierzu noch als Augenzeuge auftreten, außer ich?

Das konnte ja nur als Strafe aufgefasst werden. Aber was hatten wir uns zu Schulden kommen lassen?
Darüber denke ich inzwischen nicht mehr wirklich nach, weil man hat ja die Freiheit zu gehen.
Das Umfeld von unsäglicher Rückständigkeit, Dummheit, Kurzsichtigkeit, Eifersucht und Egoismus kann man bedenkenlos mit Freuden, ohne Gewissensbisse verlassen.
Man muss sich diese Freiheit nur nehmen, was Winfried aber nicht wirklich tat, weil er immer noch die Hoffnung und den Wunsch hatte, er könnte einen ihm gebührenden respektierten Platz innerhalb der "Familie" einnehmen.
Aus meiner Sicht hat so ein Platz nie existiert, und wenn er existiert hätte, dann weder für Winfried oder mich.
Das Ziel hatte Winfried nicht aus den Augen verloren, allerdings ging der Wunsch nie in Erfüllung
Bis zu seinem Tod hat ihn das sehr belastet.

Die künstlerischen Inhalte der Werke von Winfried, welche über außerordentliche Substanz verfügen, werden von den Haupterben nicht durchblickt, geschweige denn verstanden.
Wie auch, wenn der nötige kulturelle Hintergrund fehlt.

Da haben die Säue die Perlen geerbt und die Philosophie sowie Ausdrucksstärke und Schönheit seiner Werke nie wirklich erkannt.
Da verharren diese familiären Herrschaften weiter in ihrem Mief, ihrem religiösem Aberglauben, ihrer unerträglichen Arroganz und Intoleranz, in ihren Ressentiments gegenüber den Menschen, welche den Mut haben, freier in ihrem Leben und ihren Gedanken zu sein, als sie selber.
Diesen Mut hatte Winfried, den allerdings niemand innerhalb der "Familie" wahrnehmen wollte, geschweige denn respektierte.

Bei der Vorstellung, dass diese unfähigen Kunst-Banausen und spießigen Kleinbürger mit seiner Hinterlassenschaft spekulieren, sich heute auf einmal mit seiner Leistung brüsten, sich die Autorität anmaßen, trotz mangelndem Tiefgang, unzureichender kultureller Bildung und Kompetenz, gerade im Bereich freier bildender Kunst sowie Kunsthistorik, etwas zu Winfrieds Werken auszusagen, da könnte ich ebenfalls einen Herzinfarkt bekommen.

Wo bleibt da, kurz nach Winfrieds Tod, die Erfüllung großmundiger Aussagen und Versprechungen meiner Schwester gegenüber der Verwandtschaft zum Thema "Ausstellungen organisieren"?
Bis heute werden offenbar die Werke versteckt, aus welchen Gründen auch immer.
Da erkenne ich nur die Unfähigkeit, angemessen mit seinem Erbe das zu tun, was man mit Bildern macht, nämlich Ausstellungen in einem möglichst großen öffentlichen Raum zu realisieren. Da gehören die Bilder hin, weil die Qualität und der Umfang des Oeuvre das zulässt .
Am Geld mangelt es den Herrschaften nicht, solche Ausstellungen zu finanzieren, aber an Phantasie.
Auch wäre es durchaus möglich, entsprechende Experten hinzuzuziehen, damit nicht nur die Qualität des Oeuvre offiziell dokumentiert wäre, sondern auch Winfrieds Stellung innerhalb der Kölner Kunstschaffenden des 20. und 21. Jahrhunderts, als Sohn der Stadt Köln, bestätigt würde.

Leider verfüge ich nicht über die Mittel. Ich könnte auch nicht, selbst wenn ich eine "große" Ausstellung in die Wege leiten würde, auf wichtige Werke aus dem Nachlass zugreifen, da ich weder das Erbrecht noch Zugriffsrechte besitze. Von daher ist so eine Überlegung als rein spekulativ zu sehen.

Vieles, was mir vom Werk Winfrieds geblieben ist, habe ich immer noch nicht gesichtet und dokumentiert.
Hierzu gehören die Tonträger, Unmengen an Fotos, und eine kleinere Anzahl an Gemälden und Zeichnungen.
Die Sichtung gerade der Tonträger habe ich mir bis heute gespart, da dies eine sehr zeitaufwendige Arbeit ist.
Außerdem hatte ich schon bei einer groben Sichtung des Materials vor 4 Jahren Probleme, einzelne Tonträger bestimmten Ereignissen zuzuordnen.
Nur Winfried fand damals zur gefragten Zeit den zugehörigen Tonträger im passenden Karton oder Koffer.

Gerne würde ich mehr zur Dokumentation des künstlerischen Nachlasses von Winfried Beck beitragen.

Winfried war ja nicht nur Maler, sondern auch Musiker, also interdisziplinär tätig.
Hierzu gibt es jetzt neu einen Artikel "Der Musiker Winfried Beck" hier auf dieser Seite.

Weitere Artikel werden in nächster Zeit folgen.

Danke für den Besuch dieser kleinen, aber sicherlich informativen Seite über meinen Zwillingsbruder,
und den Künstler Winfried Beck aus Köln

 

Beste Grüße

Manjo

 
Wer die Menschheitsgeschichte verstehen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich von seinen kleinbürgerlichen Vorstellungen zu lösen und seinen Bewusstseinshorizont in alle Richtungen zu erweitern. Hierzu gehören Toleranz, Liebe, Verständnis und ein offenes Herz für alle Menschen, ihren kulturellen Werken sowie ihren Lebenswelten.

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